Moin,
ich bin da auch sehr zwiegespalten. Auf der einen Seite bin ich bei Jack-Lee und Roland und versteh ich auch nicht, warum man sehenden Auges jahrelang nichts macht, keine Eigenverantwortung uebernimmt und dann irgendwann die Gruenen verteufelt, die mit dem GEG wenig zu tun haben, weil es ja durch die CDU in der Vorgaengerregierung (richtigerweise) auf den Weg gebracht wurde. Es muss halt endlich mal was passieren, von alleine laeufts halt nicht.
Auf der anderen Seite versteh ich die Leute, die ja gerne wuerden, wenn es denn ihre finanzielle Situation erlauben wuerde, die sich durch das Tempo der Entwicklung nicht mitgenommen fuehlen. Da geht man schnell mal in Abwehrstellung und positioniert sich auch mal gegen eine sinnvolle Entwicklung. Auch dafuer muss man ein Stueck weit Verstaendnis haben.
Ganz klar, Uebersprungshandlungen mit begrifflichen Entgleisungen sind bei den (ich nenn sie mal einfach so) "Demonstranten aus Leidenschaft" eher der Standard als die Ausnahme und dadurch erleben wir bei den einfach zu mobilisierenden Bevoelkerungsschichten einen Zugpferdeffekt. Manche sind halt froh, wenn sie nicht selbst denken muessen und wenn andere sowas anstrengendes fuer sie mit uebernehmen.
Jetzt sind wir uns ja alle einig, dass endlich was getan werden muss, um die immer noch rasant fortschreitende Klimakrise einzubremsen. Niemand hier leugnet den menschengemachten Klimawandel und den industriellen Raubbau an der Natur. Und ja, wahrscheinlich haben diejenigen Recht, die fordernd, dass eher heute wie morgen mal was gegen diese Prozesse getan werden muss.
Stellt sich nur die Gretchenfrage, wie zur Axt man das Problem angeht, um tatsaechlich was zu erreichen? Geht man einen langsamen Weg, um manche in der Bevoelkerung nicht zu ueberfahren? Geht man schnellen Schrittes und verkackt es sich bei vielen in der Bevoelkerung, wie wir das gerade erleben, erreicht damit aber vielleicht wenigstens einen gesellschaftlichen Wandel, selbst, wenn man dafuer nicht mehr gewaehlt wird?
Das, was wir hier gerade in unserer kleinen Blase erleben, spiegelt doch die gesellschaftliche Diskussion wieder. Wir fuehlen uns alle unterschiedlich stark betroffen und reagieren auch - je nach eigenen Anpassungsmoeglichkeiten - entweder zustimmend oder ablehnend. Genauso geht es dem ganzen Land.
Haben wir die Zeit, eine weichgespuehlte wir-machen-es-allen-Recht-Politik zu haben, welche die Probleme ja nur Scheibchenweise angeht, um ja wiedergewaehlt zu werden oder hat uns gerade diese Haltung vergangener Koalitionen mit ihren dadurch erforderlichen Kompromissen in genau diese aktuelle Misere gefuehrt? Gibt es hier ueberhaupt einen richtigen Weg?
Ehrlich gesagt find ich das gut, wenn so eine Diskussion offen gefuehrt wird und auch mal deutlich wird, solange die gegenseitigen Positionen respektiert werden und man in Ermangelung eigener Argumentationsmittel persoenlich wird.
Wir werden wohl - genau wie die Gesellschaft - keinen Idealweg finden, da die mehr oder sogar existentiell betroffenen wohl nicht sagen: Hey, ruiniert mich, macht aber nix, weil is ja sinnvoll!
Mir fehlt der Einblick in die politischen Entscheidungen und in die Bedingungen, die dazu fuehren, aber ich denke mir immer, dass sich die Entscheider schon so ein klitztkleines Bisschen was dabei gedacht haben, als sie diese Gesetzesvorhaben in der letzten Legislaturperiode entworfen haben.
Vielleicht isses ja wirklich so sehr eine Minute vor zwoelf und wir haben keine Zeit mehr zu verlieren.
Vielleicht sind ja auch diese Klimakleber, welche mir persoenlich aufgrund ihrer Aufdringlichkeit eher unsympatisch sind, genau das, was wir brauchen, um den Hintern hochzukriegen. Ich weiss es nicht.
Ich bin - wie fast alle von uns - ein Heuchler, welcher zuviel Plastik verbraucht, Klamotten aus Fernost kauft und sich Sachen aus China schicken laesst. Ich kann nur vor meiner eigenen Haustuere kehren und wenigstens versuchen, mein eigenes Verhalten zu aendern.Verantwortung uebernehmen, nicht nur fuer mich, sondern als Teil der Gesellschaft. Ob das reicht?
Wir stehen vor einem ethischen Problem par excellance: wie erreicht man eine Kehrtwende in einer Katastrophe, denn das ist die Klimakrise, wenn man gleichzeitig vermeiden moechte, dass dabei zu viele unter die Raeder kommen?
Roland, du kommst aus einer Szene, welche tatsaechlich versucht hat, was zu bewegen und Alternativen zur konventionellen Stromerzeugung zu finden, auch gegen den gesellschaftlichen Widerstand. Einfach war diese Bewegung sicherlich nicht. Wie habt ihr das geschafft, einen Wandel hinzukriegen? Was musstet ihr euch alles anhoeren, als ihr gegen AKWs auf die Strasse gegangen seid? Was wuerdest du unserer Gesellschaft raten, um voranzukommen, ohne sich gegenseitig zu beissen?
Viele ratlose Gruesse aus dem Saarland, Sascha