Hallo
Immer wieder schreiben Leute, daß ein Differential bei schlüpfrigem Untergrund nur dann Sinn macht, wenn es sich sperren läßt und ansonsten nur zur Kurvenfahrt gut ist. Ansonsten wäre es schlechter als kein Differential.
Das ist definitiv falsch. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie vehement eine Sache schön geredet wird, nur weil man sich selbst dazu entschieden hat, die Nachteile zu ignorieren. Da werden wissenschaftliche Zusammenhänge umgedeutet bis zum Gegenteil um sich selbst die in der Vergangenheit getroffene Entscheidung in der Gegenwart schmackhaft und gefällig zu machen.
Nehmt mal als Beispiel ein 4WD im Vergleich zu 2WD im Vergleich zu 1WD.
Ein 4WD mit offenem Zentral-Differential ist höchstens zufällig mal schlechter als ein 2WD, aber meist ist es doppelt so stark im maximal möglichen Vortrieb.
Und während ein 1WD mit Reibkupplung immer nur so viel zusätzliche Kraft auf dem Reibrad abgeben kann, wie die Reibkupplung hergibt, kann ein Differential im 2WD immer so viel Kraft auf BEIDE Räder abgeben, wie das Rad mit dem schlechteren Reibwert. Während also beim Cityel das angetriebene Rad bei Glätte nur eine geringe Kraft abgeben kann, kann das geriebene Rad womöglich noch weniger abgeben, weil die Reibkupplung durchrutscht, nicht das Rad.
Mit anderen Worten: Als ich noch Reibkupplung fuhr, drehte immer das linke Hinterrad durch, nie das rechte. Und wenn ich Quattro fuhr, dann drehte fast nie ein Rad durch, weil sich die Antriebskraft auf 4 Räder verteilte. Die Differentialsperre brauchte ich fast nie. 2WD brauchen viel früher eine Differentialsperre als 4WD, weil sie weniger Räder zur Kraftübertragung nutzen können.
Weil die elektronischen Bremssysteme praktisch alle eine Antriebschlupfregelung haben, braucht man heute keine Differentialsperre mehr. Das durchdrehende Rad wird künstlich abgebremst, um mehr Kraft auf den anderen Rädern zu haben. Umgekehrt hat eine Differentialsperre negative Einflüsse auf das Bremsverhalten beim ABS. Sie muß geöffnet werden, damit eine optimale Regelung der einzelnen Räder stattfinden kann, damit das ABS überhaupt feststellen kann, daß eines der Räder überbremst wird.
Übrigens gibt es auch asymmetrische Differentiale, die eine unterschiedliche Leistung z.B. an Vorder und Hinterachse bereitstellen. BMW hatte mal so etwas. 70 zu 30% lautete damals die Werbung. Wie beim Raubtier. Es waren 70% für die Hinterachse, wahrscheinlich eher dem Dogma Hinterradantrieb geschuldet als der praktischen Erwägung, daß die Lastverteilung bei allen Frontmotorfahrzeugen einen Vorteil in der größeren Belastung der Vorderachse bringt.
Regelmäßig haben im Winter die Frontmotorautos mit Heckantrieb an langen Steigungen die größten Probleme mit dem Bremsscheibentemperaturmodell. Die kleinsten Motorisierungen haben auch kaum eine Abregelung der Motorleistung, was zu enormen Bremsenverschleiss führt, wenn der Fahrer rücksichtslos Gas gibt. Und wenn dann die Bremsscheiben heiß sind, wird eben nicht mehr geregelt, es muß eine Reserve zum Bremsen (also Verzögern des Fzgs. bleiben). Und dann bleiben sie doch stecken, die schönen modernen Autos. Und dann, aber nur dann, hätte eine (regelbare) Differentialsperre einen positiven Beitrag geleistet, ansonsten bringt das nur Kosten, Komplexität, Gewicht, Mehrverbrauch.
Bei den Durchschnittsanwendungen bringt die Frontmotor-Frontantrieb-Konfiguration mit elektronisch geregelten Bremssystemen ABS, ASR, ESP, TCS, und wie sie alle heißen, ein deutliches Plus beim Handling, bei der Bremsleistung und in vielen Situationen beim Beschleunigen.
Das sollte das Ziel sein, auch für ein 1-2 Personen.
Ob das Differential das eigentliche Problem am Cityel ist? Es ist ein Teil des Problems Antrieb, Federung, Fahrwerk, Gesamteigenschaften. Eine starke Reibkupplung, ungeregelt, ist meiner Erfahrung nach das schlechteste. Ich hasse es, wenn das Cityel einfach weiter geradeaus zieht, weil die Reibkupplung greift und wenn sich Kurvenradien abrupt verändern, weil sie nicht mehr greift. Gleichzeitig ist sie ja unfähig, die Beschleunigungskräfte gleichmäßig zu verteilen, trotz doppelter Reibscheibe zieht das El beim Beschleunigen zur Seite.
So kann man auf jeden Fall nicht vernünftig fahren und schon gar nicht mit viel Leistung.
Also: Macht was, schließt Euch zusammen, löst das Problem endlich.
Einzelradantrieb auf 2 Hinter-oder Vorderrädern bleibt bei Elektromobilen eine Option, um die komplexen Funktionen abzubilden.
Gruß
andreas