Liebe Beitragsersteller,
vielen Dank für all die Antworten, ich lerne gerade viel dazu - habe mir z.B. noch nie Gedanken gemacht, wie viel CO2 dadurch entsteht, dass Treibstoff erst mal produziert und zur Tankstelle verbracht werden muss. Ich schätze, dass das bestimmt mal seriös untersucht wurde? Den Artikel von "edison.media" kann ich leider nicht ernst nehmen. Er ist allerdings interessant in zweierlei Hinsicht: erstens listet er ganz viele Aspekte auf, die man in Betracht ziehen muss und die mir so nicht bewusst waren. Zweitens ist er jedoch dermassen polemisch verfasst, dass sich mir die Haare sträuben. Ich zitiere mal einen kleinen Ausschnitt:
"Laut einer Anfrage des Department of Energy in den USA von 2009 werden in einer Raffinerie rund 1,585 Kilowattstunden für die Erzeugung eines Liters an Kraftstoff benötigt (wenn auch nicht nur Strom). Sehr genau bestätigt wird diese Angabe durch die GEMIS-Datenbank. Für den Durchschnittsverbrauch von sieben Litern auf 100 km kämen alleine an dieser Stelle mehr als 11 Kilowattstunden zusammen." Allein in diesen 2 Sätzen finden sich Ungereimtheiten ohne Ende:
- Ist das Ergebis dieser Anfrage nur dem Autor bekannt, ist er ein Insider oder warum gibt es keinen link zu der Quelle?
- der link zur GEMIS-Datenbank funktioniert (zumindest bei mir) nicht
- wenn die Erzeugung eines Liters Benzin 1.585 KWh Energie kostet (welch ein absurder Wert), müsste das Siebenfache (7 Liter pro 100 km) davon doch 7*1.585 KWh, also 11.095 KWh betragen. Damit könnte das E-Auto also bei einem Verbrauch von 17 KWh pro 100 km statt nur 100km, die der Verbrenner zurücklegen kann (abgesehen von all den anderen Energie-Verschlingen) gigantische 65 tsd. km fahren. Das erscheint mir etwas unrealistisch zu sein?
Wie gesagt, erscheint mir diese Quelle und alle Schluesse, die darin gezogen werden, allein deshalb (es gibt natuerlich noch andere Makel im Artikel, die ich aber aus Effizienzgründen nicht beleuchten möchte) als komplett unglaubwürdig.
Mein Schluss hieraus ist, dass man in der Tat eine ehrliche Gesamtbetrachtung anstellen muss - für E-Autos genauso wie für Verbrenner- und dass diese Gesamtbetrachtung viele Aspekte einschliessen muss, die man auf den ersten Blick (wenn man nur die durch das Fahren in dem Moment entstehenden Emmissionen betrachtet) nicht ersichtlich sind.
@ Roland: wie ich bereits versucht habe, zu erklären, stehe ich dem Thema E-Auto offen gegenüber. Mir geht es absolut nicht darum, dieses schlechtzureden - was hätte ich denn davon? Ich habe wahrlich keine Langeweile (was dazu führt, dass ich nicht zeitnah alle Einträge kommentieren kann) und auch keinen wirtschaftlichen oder sonstigen Vorteile daraus, hier etwas zu schreiben. Ich möchte nur verstehen und dafür sensibilisieren, ob die Aussage "E-Auto = gut für die Umwelt" so Bestand hat, wenn man das Thema objektiv beleuchtet. Da das Thema Tausende Facetten hat, beschränke ich mich auf eine ganz zentrale, nämlich, ob man die CO2-Bilanz des erzeugten Stroms wirklich durch die Zugrundelegung des aktuellen Energiemixes approximieren kann oder ob das nicht viel zu optimistisch ist. Warum erwäge ich selbst, eine Wallbox zu installieren? Weil mein Nachbar im gleichen Haus gerade eine installiert, da er ein E-Auto als Dienstwagen bekommen hat und der Elektriker dadurch eh im Haus ist und es gerade stark gefördert wird und ich in E-Autos mittelfristig ein grosses Potential sehe. Ich kann mir durchaus vorstellen, ein E-Auto zu fahren - wirtschaftliche Anreize gibt es ja sehr grosse und beim täglichen Pendeln sind auch die Reichweiten-Nachteile irrelevant.
Ich habe die wiederholte Referenz zur Elekrifizierung der Bahntrassen übrigens noch nicht verstanden. Ich weiss nicht, was Anfang des 20. Jahrhunderts diesen Prozess ausgelöst und vorangetrieben hat. Ich vermute jedoch, dass es nicht der geringere CO2-Ausstoss war. Da Sie mich mit diesem Agrument davon überzeugen möchten, dass E-Autos insgesamt weniger CO2 produzieren, ich diesen Zusammenhang aber anhand Ihrer Ausführungen nicht erkennen.
@ Kamikaze: danke für die zahlreichen Denkanstösse und den Appell für Pluralismus im Forum. Ich finde insbesondere den Punkt, dass Strom so eine Art Universalwährung ist, die es erlaubt, alle möglichen Energieerzeugungs- und Verbrauchsarten zu verbinden und es so zu ermöglichen, das System insgesamt zu optimieren. Leuchtet mir grundsätzlich ein - muss noch über die konkreten Implikationen nachdenken
@ R.M.: keine Einspeisung? Verstehe ich. Und ich beneide Sie und andere hier, wie Roland, um das Gefühl, autonom zu sein und herumfahren zu können, ohne die Umwelt zu belasten. Es war schon als Kind ein Traum von mir, unabhängig zu sein. Bei all diesem Verständnis, muss man jedoch objektiv festhalten, dass dies bezogen auf CO2 natürlich nicht optimal ist. Aber, nochmal, ich denke, dass hier sehr viele unterschiedliche Aspekte relevant sind und sich verschiedene Leute bei ihren Entscheidungen individuell durch unterschiedliche Gewichtungen dieser Aspekte leiten lassen - was ok ist.
@ all: daran anknüpfend finde ich den Aspekt der Abhängigkeit (und Unterstützung) von autokratisch geführten Ländern ein sehr wichtiges Argument dafür, uns in Deutschland energietechnisch unabhängiger zu machen.
@ wollibri: vielen Dank für diesen sehr humorvoll-erfrischenden Beitrag. Ich musste Schmunzeln, was bei allem Ernst des Themas auch sehr wichtig ist.
@ Rick: ich sehe den Punkt, dass wir offenbar einerseits eine Strom-Überproduktion haben und es super sinnvoll wäre, diesen andererseits verlorenen Strom für die Aufladung von E-Autos (was bedeutet "BEV"?) zu verwenden. Es macht auch ganz viel Sinn, diesen Strom zu speichern, um ihn zu verwenden, wenn man weniger Strom zur Verfügung hat. Aber es stellt sich mir die Frage wie realistisch das ist. Manche Fahrten kann man sicherlich steuern (ich kann heute oder in 3 Tagen und zwar morgens oder Abends zum Einkaufen fahren). Oft wird es aber doch so sein, dass man abends das leere Auto abstellt und es über Nacht aufladen muss, um am nächsten Tag zu fahren. Und das kann eine Nacht sein, in der kein Wind weht (und natürlich keine Sonne scheint), so dass man leider auf konventionelle Energie angewiesen ist. Und die Kombination von insgesamt wesentlich erhöhtem Strombedarf durch viele E-Autos, die im Prinzip jederzeit ladbar sein müssen, und sehr volatilem Beitrag nachhaltigen Stroms (Sonne scheint oder nicht, Wind weht oder nicht) bedeutet doch, dass man ein sehr stabiles Fundament an jederzeit verfügbarem Strom haben muss, der konventionell hergestellt wird, oder? Wenn ich jetzt davon ausgehe, dass entsprechende Kraftwerke die Menge des von ihnen erzeugten Stroms weitgehend stabil halten müssen, da sie nicht flexibel steuerbar sind (wie oben gesagt wurde), dann müssen diese so viel Strom erzeugen, dass Belastungsspitzen jederzeit abgefangen werden können. Ich habe verstanden, dass intelligente Steuerungssysteme für die Ladung von E-Autos hier im Prinzip einen Ausgleich schaffen, aber, nochmal, ich denke zugleich, dass das nur in begrenztem Umfang möglich ist, da der Zweck von E-Autos nicht darin besteht, eine Puffer-Batterie zu sein, sondern Mobilität zu ermöglichen.
Daraus schliesse ich, dass man entweder in Kauf nehmen muss, dass es an manchen Tagen heisst "sorry, bis auf Weiteres keine Ladung Ihres Autos möglich" (was die meisten als unakzeptabel empänden, schätze ich) oder man erhöht die fossile Energie-Erzeugung und damit den CO2-Ausstoss. Ich denke, dass E-Autos, die aus dem allgemeinen Stromnetz gespeist werden, nur begrenzt eine dämpfende Wirkung auf die Volatilität der Stromerzeugung haben können. Echte, voll flexible Speicher werden gerade erforscht und es gibt da vielversprechende Ansätze (das fand ich z.B. super spannend:
https://www.faz.net/aktuell/technik...rstrom-bau-einer-wasserbatterie-16328424.html). Aber selbst wenn wir solche voll flexiblen Speicher hätten, müssten wir bei der Kalkulation der CO2-Produktion von E-Autos den Ausstoss fossiler Energieerzeugung (und nicht des Energiemixes) annehmen, solange man deren Stromproduktion durch Ersetzen mit erneuerbaren Energien senken kann. Falls es irgendwann möglich wäre, durch solche Speicher komplett auf fossile Stromerzeugung zu verzichten, wäre dies natürlich ganz anders, aber davon sind wir leider weit entfernt im Moment.
Nochmal zusammenfassend: ausgehend von der Annahme, dass der Ausbau CO2-armer Energieerzeugung unabhängig von der Nutzung von E-Autos so schnell wie möglich vorangetrieben wird, erhöht jedes über das öffentliche Stromnetz betriebene E-Auto den allgemeinen Stromverbrauch, so dass die Reduzierung fossiler Energieerzeugung im gleichen Masse weniger schnell voranschreiten kann. Deshalb ist m.E, bei der Berechnung der CO2-Verursachung von E-Autos die CO2-Verursachung durch die Herstellung und Zur-Verfügung-Stellung fossil erzeugten Stroms relevant und nicht der "Energiemix".
Viele Gruesse,
SDV