Natürlich wäre es vernünftig, ein auf den Großteil der Mobilitätserfordernisse optimiertes Fahrzeug zu haben und den geringen Rest mittles Mietwagen/Car-Sharing oder ÖPNV/ÖPFV zu erledigen.
Dabei gibts leider mehrere Grundprobleme:
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Autofahren hat nichts mit Vernunft zu tun</b>
Wenn dies so wäre, gäbe es genau 2 PKW-Typen: den Smart und einen geräumigen Kombi/Minivan, beide mit pflanzenöltauglichem Dieselmotor + Partikelfilter.
Wie wir alle wissen, steigt aber ständig die Nachfrage nach sinnfreien Spaßmobilen wie Geländewagen (selbst in den USA sind über 90% aller SUV-Besitzer noch nie durchs Gelände gefahren) und "dynamischen" Raserkarren mit tiefergelegten Breitreifen und verchromtem Doppelauspuff.
Und welcher Jugendliche würde sich freiwillig einen Elektroroller kaufen? Der macht ja gar keinen Krach mit dem man den anderen in der Clique imponieren könnte! Dann muß die Kiste nur noch kräftig getunt werden, damit man immer als erster fährt und den Auspuffgestank der anderen nicht riechen braucht. Und solange MammaPappaOmma den Sprit zahlen...
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Unwillen/Unfähigkeit, die eigenen Mobilitätsanforderungen objektiv zu analysieren und die Kosten zu berechnen</b>
Das z.B. ein Auto durchschnittlich 94% der Zeit nicht benutzt wird, 11% des Verbrauchs im Leerlauf anfallen oder daß die Abnutzung und damit die Reparaturanfälligkeit im Kurzstreckenbetrieb überproportional hoch ist, wen interessiert das? Es ist viel einfacher, jedesmal beim Tanken auf die bösen Grünen zu schimpfen oder auf den angeblich ungeeigneten ÖPNV mit seinen ach so schwierig zu verstehenden Fahrplänen.
Direkte Kosten wie Reparaturen, Steuern, Versicherung, Tanken, Wertverlust werden als unvermeidlich und gottgegeben hingenommen, ebenso indirekte Kosten wie der Verlust an Lebensqualität durch Lärm, Abgase und den Bau immer neuer Straßen.
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Absolutes Unverständnis auch der simpelsten Elektrotechnik-Grundlagen</b>
Zumindest jeder Mann kann heute im Schlaf aufsagen, das sein toller Schlitten über eine achtfach rollengelagerte Nockendauerwelle mit mundgeblasenen Ventilschaftbohrungsausgleichshülsen verfügt. Ich wette, bei einer repräsentativen Umfrage könnten über 75% der Deutschen nichts mit der Angabe "50Hz" anfangen, oder den Unterschied zwischen Strom und Spannung benennen.
"Strom" kommt aus der Steckdose und manchmal explodieren Fernseher deswegen oder es gibt Kurzschlüsse, also ist er gefährlich.
Natürlich ist zum Betrieb eines Elektromobils kein Elektronik-Studium erforderlich (auch mein Roller funktioniert nach dem "Plug in and forget" - Prinzip
), aber dieses Unwissen führt zu einer völligen Fehleinschätzungen der Möglichkeiten von Elektrofahrzeugen. Typische Meinungen:
- man braucht irgendeine spezielle Steckdose zum Aufladen
- man kann damit nicht in der Stadt fahren, weil E-Mobile "keine Beschleunigung" haben
- nur für Behinderte
- E-Mobile gibt es nicht zu kaufen, es sind alles Prototypen
- Reichweite & Geschwindigkeit werden völlig unterschätzt
- Preis wird überschätzt (mein Scootelec z.B. auf 20000 DM
)
- Verbrauch wird überschätzt ("hunderte Kilowatt")
- ...
Die von Dir aufgeführten Probleme sind teilweise Folgen dieser Grundprobleme:
<b>:-( Reichweitenproblem</b>
Wie schon gesagt, das gibts eigentlich nicht, da mindestens 80% aller notwendigen Fahrten innerhalb der Reichweite heute verfügbarer Elektromobile liegen.
Statt dessen gibt es ein Ladeproblem: zu wenige öffentlich zugängliche Lademöglichkeiten mit ausreichender Leistung (Ein Twike mit Drehstromladegerät wäre in 30-40 min wieder aufgeladen, das reicht kaum für ein Mittagessen oder einen gemütlichen Spaziergang. Noch besser wäre, öfter und kürzer nachzuladen, der ADAC empfiehlt sowieso häufige Pausen auf längeren Fahrten ;-) )
Daher mein Vorschlag: Tankstellen werden per Gesetz verpflichtet, eine standardisierte Auflademöglichkeit rund um die Uhr anzubieten. Sinnvoll wären 3 Phasen, also eine Drehstromsteckdose und 3 Schuko/CEE-Dosen (die dann aber nicht zusammen verwendet werden können). Die Bezahlung erfolgt dann entweder nach dem Park&Charge-System pauschal oder bei steigender Nachfrage durch Einzelabrechnung entweder an der Tankstellenkasse oder per Geldkarte/Handy/etc.
Die kompletten Installationskosten sollten in jedem Fall unter 1500€ pro Anlage liegen, die Hälfte könnte auch der Bund aus der Ökosteuer zuschießen womit diese endlich mal ihrem Namen gerecht würde. Die Gesamtkosten lägen sowohl für den Steuerzahler als auch für die Ölkonzerne im unteren Peanuts-Bereich.
Für immer noch Ängstliche gibt es dann Hybridfahrzeuge wie den neuen Renault Kangoo electrique mit "Range extender" (ein 500ccm/15kW-Motörchen, das manuell zugeschaltet werden kann und die Reichweite auf 300km erhöht).
Als nahezu schadstofffreier Hybridantrieb wäre auch dieser "Motor" geeignet: http://www.enginion.com. Durch eine fast schadstofffreie Oxidation eines beliebigen Treibstoffs (PÖl, Erdgas, Methanol, ...) wird sowohl Strom als auch Wärme in veränderbarem Verhältnis erzeugt (mehr in meinem hoffentlich bald fertigen EVS18-Bericht!).
<b>:-( Geschwindigkeitsproblem </b>
Was nützen 250 km/h Höchstgeschwindigkeit im Stau? Eine maximale Geschwindigkeit von 100 (max. 120) km/h ist völlig ausreichend.
Hier gibts aber auch wieder den "Geländewagen-Effekt": die hohe Geschwindigkeit wird zwar in der Realität so gut wie nie genutzt, aber man _könnte_ sie ja irgendwann mal brauchen, z.B. wenn man sein Recht als freier Bürger in Anspruch nimmt, auch an völlig unübersichtlichen Stellen zu überholen.
<b>:-( Sicherheitsproblem </b>
Beispiel Beifahrer-Airbag: Der Fahrer-Airbag dient dazu, den Aufprall des Fahrers auf das Lenkrad zu verhindern. Der Beifahrer dagegen wird lange vor dem Erreichen des Armaturenbrettes vom Sicherheitsgurt abgefangen. Als jedoch ein japanischer Hersteller anfing, Beifahrer-Airbags einzubauen und das als tolle Sicherheitsinnovation anzupreisen, waren alle anderen Hersteller gezwungen, nachzuziehen da die Kunden unbedingt Beifahrer-Airbags verlangten (Aussage einer Audi-Entwicklerin)
Soviel zu zum Thema Kundenverdummung durch angebliche Sicherheit :angry:
<b>:-( Statussymbol-Problem</b>
Das dürfte wohl das am schwierigsten zu lösende Problem sein. Über viele Jahrzehnte sind die Kunden von Industrie und Werbung zum Tanz ums blecherne Kalb verführt worden. Jeder noch so unfähige Idiot kann durch ein "tolles Auto" sein Selbstwertgefühl heben und bei anderen Eindruck schinden.
Ob Jürgen Schneider seine Millionenkredite von den Banken bekommen hätte, wenn er im city-el vorgefahren wäre?
Die heutige Autofahrer-Generation wird vermutlich nicht mehr in der Lage sein, sich von diesen Wahnvorstellungen zu lösen und Mobilität rational zu betrachten.
Immerhin: wenn ein TWIKE oder SAM neben einem dicken Benz oder Lotus parken würden, welches Fahrzeug würde wohl mehr Aufmerksamkeit erregen?
Gruß Jens