Hallo,
ein paar Anmerkungen zu den vorangegangenen Beiträgen:
- Der Frontal-Aufprall ist sehr wohl relevant, ganz einfach weil sich Fahrzeuge vorwärts, gegenläufig und aufeinander zu bewegen. Der Aufprall mit 50% "Bedeckung", der hier gezeigt wird, ist sehr realistisch, viel mehr als der früher benutzte 100%ige oder gar der Aufprall frontal gegen eine Wand. Frontal-Aufprall-Szenarien sind typische Schleuder- und Ausweich-Situationen: ein Fahrer verliert die Kontrolle über sein Fahrzeug, gerät auf eine Ölspur oder nasses Laub, weicht anderen Autos (die ihm von rechts die Vorfahrt nehmen), Fussgängern, spielenden Kindern und Wild aus. Da gerade in den Ausweich-Szenarien das Objekt, dem ausgewichen wird, meistens von rechts kommt, geht die typische Ausweich-Bewegung nach links, direkt in den Gegenverkehr. Fazit: Frontal-Aufprall mit teilweiser Bedeckung. Auch beim "beliebten" Überholen von Bussen, Lieferwagen oder Zweite-Reihe-Parkern fährt man in die Frontal-Aufprall-Risiko-Zone.
- Der Seiten-Aufprall ist - sehr richtig - ein weiteres häufiges Unfall-Szenario. Guckt euch aber mal die Bilder und besser noch das Video an. Das "Mikro-Auto" hat überhaupt keinen Seiten-Aufprall-Schutz, die Türen und Holme zerbröseln regelrecht. Die Unfall-Folgen wären in diesem Fall also noch viel verhehrender. Der hier gezeigte Frontal-Aufprall ist also nicht nur der häufigste, sondern sogar der "günstigere" Fall.
- Beim Heck-Aufprall spielt die Geschwindigkeit kaum eine Rolle, es sei denn man wird nur angeschubst, aber selbst das kann unter ungünstigen Umständen zu Schäden der Halswirbelsäule führen (bekannt als "Whiplash", Peitschenschlag). Wichtig beim Schutz gegen Verletzungen bei Heck-Aufprall sind umfangreiche und wohldurchdachte konstruktive Massnahmen an Sitz und Kopfstütze. So wie dieses "Ding" gebaut ist, wird man auch hier Null erwarten können. Also ist der getestete Frontal-Zusammenstoss wieder der "best case", alles andere wäre noch viel schlimmer.
- Wie ich schon sagte, ist das Sicherheits-Konzept beim Roller völlig anders als beim geschlossenen Fahrzeug. Beim Roller ist die persönliche Schutz-Ausrüstung (Helm!!! , Handschuhe, abriebfeste, möglichst gepolsterte Kleidung) das A und O. "Lieber ein bisschen Knautschzone als gar keine" ist ein wenig irreführend. Beim Zusammenstoss in einem geschlossenen Fahrzeug muss die Energie des Zusammenstosses in Verformung des "Gehäuses" umgesetzt werden, einfach weil die Insassen darin "gefangen" sind. Beim Zusammenstoss mit dem Roller ist dieser völlig unwichtig, ob er heile bleibt oder völlig zerstört wird, spielt keine Rolle. Der Fahrer trennt sich nämlich beim Aufprall vom Fahrzeug und muss "nur" die eigene kinetische Energie verarbeiten. Wie bei Stürzen bei Motorrad-Rennen zu erkennen ist, besteht die beste Möglichkeit darin, Arme, Beine und Kopf hochzunehmen und einfach - idealerweise mit dem Hintern - auf dem Untergrund zu rutschen, bis man liegen bleibt. Aber wie gesagt, ein Begriff wie "Knautschzone" hat beim Roller keinen Sinn, es sei denn man meint dicke Polsterung der Kleidung.
Schliesslich stimme ich der Bemerkung zu, dass das verhehrende Verletzungs-Risiko in dem "Plastik-Floh" wohl hauptsächlich auf mangelhafter Verarbeitung und nicht durchdachtem Konzept beruht. Und ich verweise noch mal auf den CityEl, der mit nicht mal 300kg Leergewicht einen absolut akzeptablen Schutz vor Verletzungen beim Infall bietet.
Achja, fast vergessen. Dass jedes Plus an Sicherheit im Fahrzeug - Sicherheitsgurt, Airbag, ABS, starke Fahrgastzelle - durch riskantere Fahrweise ausgeglichen wird, ist ein schon lange beobachtetes Phänomen. Anscheinend tendiert die menschliche Psyche dazu, das akzeptable Risiko mehr oder weniger konstant zu halten und an die Grenze zu gehen. Insofern wären die Rasierklingen auf dem Lenkrad vielleicht tatsächlich eine unpopuläre und brutale, aber mit Hinsicht auf die Gesamt-Sicherheit günstigere Lösung ;-)
Schönen Gruss aus Aachen
Herbert Kaiser