Hallo
Macht es doch nicht so kompliziert: Wenn man alle Zellen ausbaut und wieder einbaut hat man ein erhebliches Risiko etwas zu zerstören oder zumindest so zu verändern, dass es nicht mehr optimal ist. Das parallelschalten ist nicht notwendig, noch nicht einmal für die Initialladung. Es ist völlig ausreichend, jede Zelle auf 3.65V zu laden, das kann gerne nacheinander passieren, weil die Selbstentladung in einem Zeitraum von Wochen oder Monaten praktisch zu vernachlässigen ist.
Was allerdings überhaupt nicht vernachlässigt werden darf, ist ein schlechtes, ein schlecht designtes oder gar kaputtes BMS oder Multi-Spannungsanzeige. Also gilt auch hier: Jede Zelle muss mit demselben Instrument gemessen und behandelt werden, also genau ein Multimeter und genau ein Ladegerät.
Ich habe verschiedene Modellbau BMS untersucht und die (asymmetrische) Entladung durch das BMS/Multi-Spannungsanzeige ist die größte Fehlerquelle überhaupt. Als Systementwickler, der mit FTA, DFMEA und anderen Methoden vertraut ist, ist mir schleierhaft, wie ein zentrales BMS zu einem vernünftigen Preis aus einer Kleinserienproduktion (<1000 Stück) jemals die geforderte Genauigkeit und Zuverlässigkeit erreichen soll. Es bringt kaum Vorteile aber jede Menge Risiken. Relais können kleben (FETs können ausfallen) und müssen auf ihre Funktion wiederum überprüft werden, bevor umgeschaltet werden darf. Dahinter kommt ein OPA, der eine eigene Spannungsversorgung braucht, die höher UND niedriger als die Gesamtspannung ist, also einen negativen Spannungswandler braucht, ansonsten muss man extrem tricksen und das geht wieder auf die Genauigkeit.
Selbst BMS, die auf Einzelplatinen mit völlig identischen Bauteilen aufbauen haben Probleme. Z.B. Muss die Einzelplatine an ihren Anschlüssen + und - geschützt sein gegen die Gesamtspannung des Systems, im Falle eines Wackelkontakts oder eben der Erst-Montage am Batteriepol. Dazu braucht man teure Komponenten oder man verbaut wiederum Zenerdioden, Widerstände sprich Schutzbeschaltungen, die das Ergebnis wiederum verfälschen und durch neue Fehlermöglichkeiten den Gewinn an Sicherheit konterkarieren. Alternativ braucht man eine sehr ausgeklügelte Montage der Module, es darf KEIN Fehler passieren, zu keinem Zeitpunkt.
Ein einfaches Widerstandsnetzwerk mit einem MUX in einem zentralen BMS kann man vergessen, spätestens nach dem Löten werden aus 0.1% Widerständen 1% Toleranzen, manchmal auch mehr. Mechanisch einstellbare Widerstandsteiler, sprich Potis kann man ebenfalls vergessen, über Temperaturzyklen und Lebensdauer sind sie eine Katastrophe.
Deshalb sind "dynamische" Balancierer, die schon während der Hauptladung, z.B. ab 3.4V versuchen zu balancieren zum Scheitern verurteilt. Als zentrales BMS ohnehin, denn jeder Übergangswiderstand und chemische Prozesse in den notwendigen Steckern versaut die Messergebnisse. Dazu kommen HF-Einflüsse.
Das einzige mir bekannte "Erfolgreiche" automatisierte Verfahren beruht darauf, dass jede Zelle einen Balancer erhält, der deutlich oberhalb der Leerlaufspannung einen Strom einschaltet, mehr oder weniger hart. Also 3.65-3.8V. Dabei ist dann auch die Präzision völlig wurscht, Hauptsache es funktioniert überhaupt. Und das Modul muss bei Erreichen dieser Überspannung den Lader abschalten oder den Ladestrom so reduzieren, dass der Bleed-Strom jedes einzelnen Moduls nicht überschritten wird. Zusätzlich muss die Unterspannung jeder einzelnen Zelle überwacht werden.
Ich habe so etwas entwickelt und es funktioniert sehr gut, aber verkaufen würde ich so etwas nicht auf eigene Rechnung, denn: Die Produkthaftung ist viel zu riskant. Wenn ich ein Modul für 10 Euro verkaufe und damit eine Zelle im Wert von 100 Euro kaputtmache ist der Gewinn aus 500 Euro Umsatz futsch. Eine Loose-loose-Situation. Wenn ich die Produkthaftung von vorneherein ablehne, habe ich in Wahrheit kein Produkt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein BMS die Zellen kaputt macht, weil es selbst kaputt geht ist viel höher, als dass die Zelle von sich aus kaputt geht. Das liegt vor allem daran, dass die Zellen heute so gut sind.
Ich habe noch kein BMS gefunden unter 20 Euro/Zelle, das auf Dauer und unter den rauen Einsatzbedingungen funktioniert. Schickt es mir kostenfrei zu, ich analysiere es, bisher habe ich immer Design-Fehler gefunden.
Was bleibt?
Gematchte Zellen + Top Balancing oder Bottom Balancing von Hand und immer schön im mittleren Bereich bleiben. Und niemals tiefentladen. Also Trennschalter von Hand, der JEDEN Stromfluss und jede Möglichkeit einer asymmetrischen Entladung verhindert.
Gruß
andreas