Hallo Karl, hallo Emil,
ich darf dazu einige Sätze aus einem Papier von Dr. Ulf Bossel mit dem Titel "Das Märchen vom CO2-freien Atomstrom" hier zitieren:
Gute Uranlagerstätten sind schon weitgehend abgebaut. Zur Befriedigung des Uranbedarfs werden immer schlechtere Erzqualitäten ausgebeutet, was zu einem wachsenden Einsatz fossiler Energieträger und damit auch zu steigenden CO2-Emissionen führt. Theoretisch muss zur Gewinnung der gleichen Uranmenge bei einem Erzgehalt von nur 0,25% zehnmal mehr Gestein abgebaut, transportiert, gemahlen und verarbeitet werden als bei einem Erzgehalt von 2,5%. Tatsächlich wird zur Gewinnung der gleichen Uranmenge aber zunehmend mehr des minderwertigen Erzes geschürft, denn Uran lässt sich nicht vollständig vom Abraum trennen. Drittens wirkt sich der erschwerte Zugang zu den oft tief gelegenen Lagerstätten an abgelegenen Orten zunehmend auf den Energieverbrauch aus. Diese Entwicklungen führen zu einem starken Anstieg des Energiebedarfs für die Bereitstellung von Kernbrennstoffen und damit auch zu wachsenden, mit der Kernenergie verbundenen CO2-Emissionen.
Die niederländischen Wissenschaftler Jan Willem Storm van Leeuwen und Philip Smith haben diese Zusammenhänge untersucht und ihre Ergebnisse im Jahr 2005 veröffentlicht (www.stormsmith.nl). Sie sagen eine exponentielle Steigerung des Energiebedarfs und der CO2-Emissionen mit sinkendem Erzgehalt voraus. Jede Kilowattstunde Atomstrom wird einmal stärker mit CO2 belastet sein als Strom aus Gaskraftwerken. Wann dieser Zeitpunkt erreicht ist hängt stark vom Ausbau der Kernenergie ab. Beim heutigen Stand von weltweit 440 Kernkraftwerken und den bekannten Uranlagerstätten dürfte der Gleichstand bereits in etwa 20 bis 30 Jahren eintreten. Jeder weitere Ausbau der Kernenergie verkürzt jedoch die Zeit bis zum ökologischen Nullsummenspiel.
Im Auftrag der Australischen Regierung haben die Wissenschaftler Marcela Bilek, Clarence Hardy und Manfred Lenzen der Universität in Sydney (November 2006) die Studie "Life-Cycle Energy Balance and Greenhouse Gas Emissions of Nuclear Energy in Australia" (www.dpmc.gov.au/umpner/docs/commissioned/ISA_report.pdf) erarbeitet. In der sorgfältig recherchierten und dokumentierten 181-seitigen Arbeit wird für den geplanten Abbau von Erzen mit einem Urangehalt von lediglich 0.15% eine Belastung des Atomstroms mit 65 g CO2/kWh ermittelt. Schon in wenigen Jahren werden die meisten Kernkraftwerke Brennstoffe aus noch wesentlich schlechteren Erzen mit etwa 0.04 bis 0.08% Urangehalt beziehen müssen.
Zu einer kritischen CO2-Belastung der Umwelt durch Kernenergie wird es jedoch nicht kommen, denn schon vorher wird eine zweite Grenze erreicht, die für die Bewertung aller nachhaltigen Lösungen von grösster Bedeutung ist. Bei einem zu geringen Urangehalt des Erzes wird die Energiebilanz für die Erzeugung von Atomstrom nämlich negativ. Der Energiebedarf für Urangewinnung bis zum Brennelement übertrifft die Energielieferung des Kernkraftwerks. Diese Grenze ist abhängig von Erzqualität, Zugänglichkeit der Lagerstätten, Aufbereitungsverfahren usw. Sie ist jedoch physikalisch bedingt und kann weder durch politische Entscheidungen noch durch Investitionen beseitig werden. Ab dieser Grenze kann die für den Bau eines Kernkraftwerks und die Urangewinnung benötigte "graue" Energie nicht mehr zurück gewonnen werden. Atomenergie wird zu einem energetischen Verlustgeschäft, auch wenn die indirekte Veredlung von fossilen Brennstoffen in hochwertige elektrische Energie noch eine Zeit lang wirtschaftlich attraktiv bleibt. Ab dieser Grenze lässt sich das Energieproblem nicht mehr mit der Erzeugung von Atomstrom lösen. Nach den Berechnungen von Storm van Leeuwen/Smith liegt sie bei einem Urangehalt von etwa 0.01-0.02%. Nicht die natürliche Verfügbarkeit von spaltbaren Uran-238-Atomen, sondern der Energiebedarf zur Gewinnung derselben wird das Zeitalter der Kernenergie beenden. Der Arbeit von Peter Diehl (2006) ist zu entnehmen, dass diese Energiegrenze auch bei einem sehr moderaten Ausbau der Kernkraft schon 2030 erreicht werden könnte (www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/atomkraft/uranreport2006_lf.pdf).
Zum Überleben der Menschheit muss das Energieproblem jedoch mit Verfahren gelöst werden, bei denen eine positive Energiebilanz auf alle Zeiten gewährleistet ist. Nur Energie aus erneuerbaren Quellen kann dies garantieren. Während die Energie-Rücklaufzeiten für Kernenergie gemäss der australischen Untersuchung für eine Erzkonzentration von 0,15% schon bei 6 Jahren liegen, haben sich Windkraftanlagen bereits nach wenigen Monaten energetisch amortisiert. Im Laufe einer 30-jährigen Betriebszeit liefern sie bis zu 100mal mehr Energie, als man für ihren Bau und Betrieb benötigt hat. Der Energiegewinn für photovoltaische Anlagen liegt für die heute eingesetzte Technik bei etwa zehn mit stark steigender Tendenz.
Auch bezüglich CO2-Emissionen ergeben sich für die beiden erneuerbaren Energiequellen mit 12 g CO2/kWh für Windstrom und 60 g CO2/kWh für Solarstrom bereits heute günstigere Werte als für Kernenergie. Sogar bezüglich Energiekosten dürften amortisierte Wind- und Solargeneratoren Strom zu günstigeren Bedingungen liefern als Kernkraftwerke, bei denen die Brennstoffkosten schon bald nicht mehr vernachlässigbare Grössenordnungen erreichen werden.
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Ich denke, es bleibt uns in einigen Jahren einfach nichts anderes mehr übrig als die erneuerbaren Energiequellen. Im wahrsten Wortsinne: es bleibt nichts anderes mehr übrig. Gut gefallen hat mir der Vergleich mit den bezahlten, also betriebswirtschaftlich abgeschriebenen Solar- und Windkraftanlagen. Der Strom daraus ist dann konkurrenzlos günstig, da Brennstoffkosten nicht anfallen. Man bekommt die Umweltverträglichkeit dann sozusagen gratis. Schöne Zukunft. Und gegen die Anlieferung der kostenlosen Solarenergie können wir uns sowieso nicht wehren. Dann nutze ich sie doch lieber. Fragen nach irgendwelchen Wirkungsgraden sind dabei doch völlig uninteressant.
Gruss, Roland