Da ich möglichst jedes E-Auto, dessen ich habhaft werden kann, auch selbst einmal fahren möchte, will ich Euch meine Testeindrücke vom vergangenen Wochenende mitteilen. Ich war persönlich kurz vor Weihnachten zum Probefahrt bestellen in unserer MB-Niederlassung. Der Smart wurde aus einem 50km entfernten Center besorgt. Leider war das Wetter das gesamte Wochenende überaus schlecht. Regen, Nebel und etwa 5°C sowohl außen als auch in meiner Garage sind praxisnahe "Schlechtbedingungen".
Zur Einstimmung möchte ich loswerden, dass weder Lobhudelei noch der Maximalverbrauch Testziel waren. Ich bin mit dem Smart ED3 ein Fahrzeug mit fast identischen Außenmaßen zu meinem Hotzenblitz gefahren. Da dessen Entwicklung >20Jahre zurückliegt und es keine mehrfachen Evolutionsstufen in einem führenden Weltkonzern wie beim Smart gab, sind Anspruch und Erwartungen zum ED3 recht hoch, die Meinung zum Weltkonzern in der E-Mobilität aber eher gespalten.
Wie zur Bestätigung konnte ich das neueste Innovationsprodukt in der recht großen Ausstellungshalle auch nach intensivem Suchen nicht entdecken - geparkt in der wirklich allerhintersten Ecke hinter einem Kleinbus. Der Verkäufer war durchaus bemüht, in Fragen E-Mobilität aber nur firmenintern informiert. Warum das Auto, dessen 17,6kWh Traktionsbatterie (nur!) 4770€ kostet auch ohne Akku noch etwa 5000-8000€ teurer ist als ein Verbrenner-Pendant, konnte er nicht vermitteln.
Erste Kontaktaufnahme:
- man sitzt höher als im Hotzenblitz, aber ebenfalls weder Höhenverstellung von Lenkrad und/oder Sitz. Das macht es mir als Sitzriesen teils schwierig, den Tacho im oberen Bereich im Blick zu behalten.
- Die Hebel zur Neigungsverstellung der Sitzlehnen befinden sich in der Mitte. Im Stand von außen ist eine Verstellung /Umlegen der Sitzbank recht umständlich. Daher kommt man schlecht an die hinter den Sitzen verstauten Dinge (hier die angeklettete Tasche mit Dokumenten). Das Panorama-Glasdach (250€) kostet bei geschlossenem Rollo Kopffreiheit und kühlt aus - nichts für mich.
- Elektrisch einstellbare und beheizte Spiegel (190€) sollte man sich gönnen, Regensensor ... (Paket 310€) m.E. nach verzichtbar. Dass Ablagebox (30€), Getränkehalter (36€) und Handschuhfachklappe (45€) zusätzlich Geld kosten, halte ich für eine Frechhheit.
Das Auto hing vollgeladen (entgegen den Handbuchempfehlungen über eine Kabeltrommel) am Strom. Den Klumpen in der Zuleitung mit (unpraktisch) kurzem Kabel zum Schukostecker kennt man ja. Dass standardmäßig nur mit 6A/1300W geladen wird und man die maximalen 12A/2600W jedesmal am Schuko-Bordladekabel manuell einstellen muss, ist ebenso unpraktisch wie das Spiralkabel. Die ausziehbare Länge ist durch die Rückzugskraft eh nie nutzbar. Es bildet eine Stolperfalle und unnötig Platz weg. Positiv ist die fahrzeugseitige Ladesteckerverriegelung und die Aufbewahrung in der Heckklappe beim Coupe. Da kommt man auch heran (gegenüber anderen modernen E-Autos), wenn der Kofferraum voll beladen ist.
Nach einer Einweisung, der erfreulichen Mitteilung, das Auto über das Wochenende behalten zu dürfen und den Formalitäten durfte ich dann aus der Halle rollen:
- der Fahrtufenschalter in Ganghebelform ist wohl ebenso wie die Rollfunktion ohne Gaszugeben und die Sicherheitsverriegelung (ohne Bremsetreten kein Verlassen der Parkstellung) dem Verbrennerauto angelehnt. Dass der "Ganghebel" recht grobmechanisch bedient wird, verstärkt diesen Eindruck.
- leider hat der Testwagen weder die einstellbare Rekuperation (215€), noch den Tempomat (zusammen 395€). Daher fiel mir die recht hohe Rückstellkraft des Strompedals auf längeren Strecken unangenehm auf. Ebenso hat das Lenkrad eine recht starke Rückstellfunktion, was beim Los-/Lockerlassen zu blitzartiger Geradeausfahrt führt - zumindest gewöhnungsbedürftig.
- Das Radio-Navi (575€) begeistert mit Sound und Funktionalität: Abspielen von CD/DVD/USB/SD-Card/Line-in, Bluetooth-Telefon, ... und enttäuscht durch (gefühlt >2Jahre) veraltete Karten des Navi und zeitweisen Ausfall des TouchScreen (Luftfeuchte?). Dass der Menuepunkt "Tankstellen" keine Ladehalte aufzeigte, war zu erwarten.
Auf Grund der Witterung wurde fast ständig mit Licht und Lüftung /Heizung gefahren. LED-Tagfahrlicht (300€) ist nur wahlweise zu Nebelscheinwerfern (190€) erhältlich. Im Testwagen war keine Option enthalten. Ich würde zu den NSW tendieren und LED preiswerter nachrüsten. Das Fahren im ED3 begeistert. Neben der völlig lautlosen Fortbewegung ist es auch die Beschleunigung, die jeden Verbrenner alt aussehen lässt. Erst Recht, wenn man über dem KickDown-Punkt des Strompedals die vollen 55kW freisetzt. Man muss anfangs permanent aufpassen, um nicht zu schnell zu fahren. Die Ecoanzeige auf >90% zu bringen, ist für einen bewussten E-Fahrer kein Problem. Eine 45km-Strecke führte mit 97%Eco etwa 250 Höhenmeter nach oben, mit zeitweise 100%Eco zurück. Hier habe ich die einstellbare Reku vermisst und bin auch teilweise im Leerlauf energiesparend gerollt. Ob der ED3 bei Rekuperation das Bremslicht aktiviert, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Das Einschalten der Lüftung (Stellung 1 fast ständig wg. Scheibenbeschlag) führt sofort zum Verlust von etwa 10% Reichweite, während Heizungsbetrieb (Aus->meist um 20°C) und auch Klimaanlage sich erst verzögert im BC bemerkbar machen. Ohne Verbraucher wurde anfangs ein Verbrauch von etwa 16kWh/100k ausgewiesen. Über die 249km ohne Autobahn (30%Stadt+70%Landstraße, BC-Schnitt: 50km/h) lag ich bei knapp 20kWh/100km, was durch die elektrische Heizung auch vertretbar erscheint. Allerdings gibt es hier viel Optimierungspotential: Es zieht bei ausgeschalteter Lüftung (beispielsweiue aus den Türgriffen) und die Fußkälte ist durch das ungedämmte Bodenblech (vor allem beim Beifahrer) auch leicht erklärbar ... Die Erkenntnis, dass abweichend zum Verbrennerauto ein Elektroauto winddicht und wärmegedämmt konstruiert werden sollte, muss wohl erst noch reifen. Weshalb kein Mennekes-Kabel zur Nutzung der maximalen 3,3kW Ladeleistung an Ladesäulen /Wallbox zur Ausrüstung gehört, erschließt sich mir nicht. Ich würde aber schon wegen besserem Wirkungsgrad und Flexibilität immer den Drehstromlader 22kW (2.900€) bestellen! Geräusche beim Laden mit dem Standardlader /-Kabel gab es keine - es war wohl einfach zu kalt. Ich habe die Ladeleistungen mit einem Steckerzähler kontrolliert und festgestellt, dass der BC zu seinen Ungunsten (!!!) schummelt. Angezeigten 19,8 stehen gemessene 19,1kWh/100km gegenüber! Der BC zeigt also durchaus "Verbrauch ab Steckdose" an! Knapp 100km Reichweite bei kalter, ungünstiger Witterung und normaler Fahrweise sind praxisgerecht aber sicher optimierbar (->Wärmeverluste). Ach ja: die letzten regulären 18km Reichweite wurden schon als "Low Battery" angezeigt - da erschrickt man schon beim ersten Mal.
Alles in allem ist der Smart ED3 sicher der beste Smart ForTwo, den man kaufen kann und ein E-Auto auf aktuellem Stand. Er wäre bei günstigerem Preis sicher ein (noch größerer) Renner im Verkauf mit Scaleneffekt bei den Kosten. Interessant, dass es für den SmartForTwo ED3 komplett neue Prospekte und Preislisten gibt - im "normalen" SmartFortwo-Prospekt finden sich zwar alle Verbrennungsantriebe aber keinerlei Hinweis auf die elektrische Antriebsoption ... Sowohl beim Abholen, als auch beim Abgeben blieb jeweils ein interessierter MB-Kunde beim ED3 stehen und fragte nach!
Dass der Hotzenblitz als reines E-Auto deutlich mehr Kofferraum und die Option von 2+2Sitzplätzen bietet, zeigt die notwendigen Kompromisse. Für mich mit zwei Kindern ist der ED3 keine Option, aber ein Schritt in die richtige Richtung. Bleibt zu hoffen, dass MB den Verkauf nicht künstlich drosselt, sobald sie die angedrohten EU-Zwangsgelder wg. zu hohem Flottenverbrauch abgewendet haben ...