seid doch mal ehrlich. Ich habe mich nun intensiv mit dem Laden beschäftigt und muss sagen das geht gar nicht.
Ok, ich bin mal ehrlich ;-)
Storytime:
Als ich ca. 11 Jahre alt war, bekamen wir in der Familie einen Citroen Saxo mit ca. 120 - 160km Reichweite (LFP-Umbau, von Werk hatten die Dinger ja weit unter 100km). Er kann mit Schuko-Steckdose in ca. 6-8h (über Nacht) von 0 auf 100% geladen werden. Es ist ein 9kW-"Schnelllader" im Kofferraum verbaut, der das Auto innerhalb von 2-3 Stunden von 0 auf ca. 80% brachte. Er hat noch den roten CEE Drehstrom-Stecker (16A) wie man ihn z.B. aus Werkstätten/Gewerben kennt, denn der Typ2-Standard war damals noch kaum verbreitet. Er hat eine Höchstgeschwindigkeit von ca. 90 km/h (wenn er recht leer ist noch weniger).
Damals gab es praktisch nirgends Ladesäulen und wenn überhaupt, dann musste man für eine unbekannte Langstrecke längere Zeit zuvor vorausplanen und sich informieren wo denn überhaupt Säulen zu finden sind und welche Zahlungsmethoden dort akzeptiert wurden und ob zu der Zeit an der man laden wollte die Säule auch mit dem Adapter funktioniert (ich sag nur "Reed-Schalter") und auch wirklich alles klappt. An DC-Ladung war noch lang nicht zu denken und die Typ2-Säulen hatten auch meistens ein Limit von 11kW.
Jede längere Fahrt war also etwas Nervenkitzel und ein Abenteuer. Wobei wir eigentlich im Alltag selten Strecken fahren mussten, die 75km (einfach) überstiegen. Auch eine Fahrt von über 100km war ja ohne Wartezeit möglich, wenn man vorhatte am Zielort mindestens 2-3h oder sogar einen ganzen Tag lang zu bleiben.
Bei vereinzelten längeren Fahrten kam es aber nicht selten vor, dass wir z.B. spät abends mitten im Nirgendwo an einen Bauernhof gerollt kamen (die haben oft Drehstrom-Steckdosen) und ganz freundlich fragten ob wir mal eben eine halbe Stunde einstecken dürften um ans Ziel zu kommen. Das war immer eine tolle Erfahrung (auch für die Leute, es gab viele große Augen und interessante Gespräche) und ich würde es eher als "Lifestyle" bezeichnen, wenn man sowas fährt.
Soviel zur Vergangenheit. Heutzutage gibt es DC-Hochleistungsladung, undenkbar hohe Reichweiten und ein super ausgebautes Ladesäulennetz mit normierten Standards. Sogar zahlen per Handy gibt es und man braucht inzwischen nur noch wenige Ladekarten wenn überhaupt (wir hatten damals ein ganze Mappe voll und konnten trotzdem nicht überall laden).
Als man das erste Mal einen Verbrenner tanken sollte, musste man sich auch daran gewöhnen, dass es verschiedene Zapfhähne gibt und man je nach Auto etwas anderes tanken muss (manch einer schafft es bis heute nicht; hatte unlängst erst ein Kundenauto mit AdBlue im Dieseltank ;-)). Mit dem Typ2-CCS-Stecker, dem normalen Typ2 und dem Schuko-Ladeziegel umgehen zu können, gehört zu Aufgaben die man relativ schnell lernt.
Wenn man als Verbrenner-Fahrer heutzutage keine Spritpreise an der Tanke vergleicht, kommt es anscheinend nicht auf den letzten Cent an (es gönnt sich schließlich auch nicht jeder einen Neuwagen mit 100%ig integriertem Preisverfall-Feature für 90k€ ;-)) und man muss sich dann auch genauso wenig drum sorgen welcher Ladekarten-Anbieter ein paar Cent günstiger ist. Andernfalls nimmt sich das vom Aufwand auch nicht viel, besonders wenn man sich für das Thema interessiert.
Wer ein E-Auto fahren möchte, sollte sich auf alle Fälle am eigenen Zinken packen und überlegen, wie oft im Jahr er tatsächlich so weit fährt, dass die Über-Nacht-Ladung von daheim nicht mehr für den Rückweg reicht, besonders bei den Reichweiten heutzutage. Wenn man natürlich ein Fahrprofil mit permanenter Ultralangstrecke und Geschwindigkeiten von weit über >130km/h verlangt, dann ist das nicht der richtige Use-Case für ein E-Auto, sondern vielleicht ein Fall für LPG, CNG, Diesel (HVO100/PÖL?), E-Fuels, usw.
Also wie wärs mit einem M4? Der kommt dann bestimmt 20 Minuten früher an der 1000km-Marke an, vorausgesetzt man macht auch mal zwischendurch eine Essenspause von ca. 1h (in der das Auto untätig herumsteht) und mind. zwei Tankstopps zwischendurch (Schnelle Karre, schneller Verbrauch).
Es gibt bestimmte Fahrprofile die sowas erfordern, keine Frage. Aber dass man "einmal im Jahr in den Urlaub fährt" sollte da kein Hinderungsgrund für ein E-Auto sein. Wofür gibts sonst Busreisen, Nachtzug, Autozug, usw.? Wenn die Nachfrage nach solchen Angeboten größer wäre, würde auch das Angebot größer.
Es gilt also auch hier neue Wege zu ebnen, genau wie es damals bei der E-Mobilität schon einige von uns machten, weit bevor es "cool wurde".